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Die Vermessung der Gletscher

Bifertengletscher: Blick zu den unteren Brüchen. Gut zu erkennen wie sich die Felsbarriere immer mehr durchsetzt und dem Gletscher allmählich die Nahrung stiehlt • Foto Hanspeter Klauser

Dossier Wasser • Seit über 40 Jahren steigt Hanspeter Klauser in die Glarner Alpen, um die Veränderungen des Glärnisch- und Bifertengletschers zu dokumentieren. Hier gibt der Gletschervermesser Einblick in seine Arbeit.

DOSSIER

Hier publiziert der neue Public Newsroom des Kanton Glarus jeden Sonntag Artikel und Hintergründe zu einem Schwerpunkt. In den folgenden Wochen finden Sie Wissenswertes zum Thema «Wasser». 

Sicht auf Gletscher + Messgerät
(li) Glärnischgletscher am 11.08.2018 – beim Zustieg zur Station 14, mit Blick in Richtung Osten zum Schwandergrat.
(re) Winkelmessgerät stationiert auf der Station 14. Vieles wird direkt gespeichert, doch einige Handnotizen sind immer angebracht • Fotos: Hanspeter Klauser

Starkes Team mit berggängigen Kameraden

Als Vermesser arbeite ich mit einem Winkelmessgerät, Winkel und Distanzmessgerät. Dabei brauche ich einen Gehilfen, der mit einem Reflektor der Gletscherzunge entlangläuft und mir die Punkte des Gletscherrandes übermittelt. Seit vielen Jahren übernehmen treue Bergkameraden diese Aufgabe. Jede grössere Knickstelle des Gletschers wird dabei erfasst und jeweils gradlinig verbunden. Der Vergleich der Gletscherzunge aus dem Vorjahr mit der neuen «Aufnahme» ergibt die Veränderung des Gletschers (Schwund oder aber auch Wachstum).

Dass mein Gehilfe bergtauglich sein muss, erklärt sich von selbst, ist das Begehen der Gletscherzunge doch alles andere als ein Spaziergang. Die Messungen nehme ich in etwa immer im selben Zeitraum vor. Dabei ist ein ausgeaperter Gletscher natürlich besser zu erfassen, als wenn Schnee die Zunge verdeckt. Konditionell ist eine Messung am Gletscher nicht zu unterschätzen, man ist den ganzen Tag draussen im Gelände und an der frischen Luft.

Mann mit Messgerät + Sicht auf Gletscherzunge
(li) Am Glärnischgletscher: Hanspeter Klauser auf der Station 14 beim Beobachten.
(re) ​​​​Hansruedi Hösli (alt Metzgermeister Ennenda) als Gehilfe mit Reflektor auf Stab • Fotos: B. Tiefenauer/Südostschweiz

Die Messung

Mit den neusten Geräten der Vermessung (GPS-Messung ist aufgrund der ungenügenden Abdeckung nur bedingt möglich und wird daher von mir nicht angewendet) nehme ich die Gletscherzunge auf. Beim Bifertengletscher ist das Kartieren der Gletscherzunge teilweise ein schwieriges Unterfangen, da der Gletscher stark mit Geröll überrollt wird.

Nebst der Kartierung mittels Winkelmessgerät und Reflektor halte ich die Situation am Gletscher auch fotografisch fest, um der späteren Generation die Verhältnisse am Gletscher auch visuell zu dokumentieren. Da gibt es eindrückliche Vergleiche wie zum Beispiel an der Fassung der Kraftwerke Linth-Limmern: War der Gletscher im Jahre 1977 noch auf der Fassung (es musste jeden Frühling ein Eisstollen gesprengt werden, um das Wasser abzuleiten), ist dieser heute rund 200 Meter davon entfernt. Da wird einem erst bewusst, wieviel Gletscher sich da plötzlich aus dem Staub gemacht hat. Was dies dann für unseren Wasserhaushalt bedeutet, kann sich wohl jeder selber denken.

Die Messstellen am Bifertengletscher und am Glärnischgletscher

Die Messstellen sind teilweise noch durch meinen Vorgänger, den Geometer Walter Wild aus Glarus bestimmt worden. Mit dem Rückzug der Gletscher sah ich mich dann gezwungen, neue Punkte zu bestimmen. Momentan stationiere ich am Biferten auf zwei Punkten und mit rund 50 Zungenrand-Punkten, die der Gehilfe anläuft, ist er dann kartiert. Beim Glärnisch ist dies beinahe identisch. Ich messe an beiden Gletschern nur die Längenveränderungen. Der Aufwand für eine Massenberechnung oder die Bestimmung der Fliessgeschwindigkeit ist bei diesen flächenmässig kleinen Gletscher zu aufwendig.

(li) Biefertengletscher im Jahre 2010 • Foto: Hanspeter Klauser
(re) Historischer Flächenvergleich des Biefertengletscher • Aus der Maturaarbeit von M. Grossmann (2010)

Auswertung, Datenübersicht

Nach der Feldbegehung folgt die Büroarbeit: Die Koordinaten und Höhen werden auf den Computer übertragen. Mit der Linienverbindung wird die Gletscherzunge des Messjahres sichtbar. Nun wird diese mit dem Vorjahr verglichen und die entstandene Plus – oder Minusfläche durch die gemessene Breite geteilt. Ein Bericht zur Messung mit Witterung, Beobachtungen vor Ort und eigenen Gedanken ergänzen schliesslich den Plan mit den Zungen. Sämtliches Bildmaterial wird kurz beschriftet mit Fotostandort, Blickrichtung und Besonderheiten. All dieses Material übermittle ich schliesslich der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW), einer Abteilung der ETH Zürich. Diese wiederum bringt die Daten ins Gletschermessnetz, das öffentlich genutzt und eingesehen werden kann. Die Deutung der weltweiten Zusammenhänge übernehmen dann die Glaziologen aufgrund der Resultate, die bei ihnen eintreffen. So darf ich ein Puzzleteilchen sein in einem weltweiten Netz der Gletschermesser.Diesen Text mit dem Embed-Code von der Ursprungswebsite ersetzen.

Poträtfoto

Hanspeter Klauser (58)

Der Vermessungszeichner aus Schwanden besucht seit 1977 einmal im Jahr den Biferten- und den Glärnischgletscher.

Text: Anina Rether 

 

Glarner Wasser-Geschichten, bisher erschienen:

15.9.2019

Ohne Wasser kein Papier

8.9.2019

Von der Not zur Tugend

1.9.2019

Hoch auf dem Berg – Tief im Fels

25.8.2019

Sind die Alpen bald trockengelegt?

18.8.2019

Lebensraum Wasser: Unsere Seen

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