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Hoch auf dem Berg – Tief im Fels

In achtjähriger Bauzeit schaffen hunderte Arbeiter in schwindelerregender Höhe ein technisches Meisterwerk: das Linth-Limmern-Werk • Foto: Heinz Baumann/ETH-Bildarchiv

Dossier Wasser • Von 1959 bis 1964 wird zuhinterst im Glarnerland ein imposantes Kraftwerk samt Staumauer gebaut: das Linth-Limmern-Werk. Der Zürcher Fotograf Heinz Baumann hat die Bauarbeiten eindrücklich festgehalten. Eine Reise in die Vergangenheit, gespickt mit Anekdoten zweier Zeitzeugen.

DOSSIER

Hier publiziert der neue Public Newsroom des Kanton Glarus jeden Sonntag Artikel und Hintergründe zu einem Schwerpunkt. In den folgenden Wochen finden Sie Wissenswertes zum Thema «Wasser». 

Porträt-Bild: Res Stasi
Res Stüssi • Bild: privat

ERINNERUNGEN EINES ZEITZEUGEN
Res Stüssi, 67, ehemaliger Wildhüter aus Linthal

«Der Bau des Linth-Limmern Kraftwerks war ein grosser Einschnitt in meinem jungen Leben. Unser Hof stand im Tierfehd, wir lebten mit und von unseren acht Kühen und sechs Rindern. Als die Bauarbeiten begannen, mussten wir die Hälfte unseres Landes zur Verfügung stellen.

Darauf wurde ein Barackendorf mit Unterkünften, einer Kantine und einem Spital errichtet. Das gefährdete unsere Existenz als Bauernbetrieb auf einen Schlag. 

Doch es wendete sich bald alles zum Guten. Mein Vater fand Arbeit als Seilbahnmaschinist und meine Mutter richtete in unserem Haus einen kleinen Laden ein. Dort verkaufte sie den Bauarbeitern Arbeitskleider».

Seilbahn für Betontransport in den steilen Bergen
Die ersten Erschliessungsarbeiten in ausserordentlich schwierigen topografischen Verhältnissen finden 1957 statt. 1962 sind 16 Seilbahnen in Betrieb, von denen jene vom Tierfehd auf die Baumgartenalp eine Nutzlast von 16 Tonnen besitzt.
Zürcher Tram als Transportmittel für Tunnelarbeiter
Zwei Trams zuckeln mit rund 15 Stundenkilometern durch den drei Kilometer langen Baustollen tief in den Glarner Bergen. Die Fahrzeit zur Baustelle der 146 Meter hohen und 370 Meter Kronenlänge aufweisenden Bogenmauer der Limmernschlucht dauert zwölf Minuten. 

Res Stüssi: «Ich erinnere mich noch gut an den Nachtwächter, der das Barackendorf überwachte. Er wurde bei uns einquartiert und liess uns Kinder manchmal zusehen, wie er seine Pistole reinigte. Für uns war das stets ein aufregender Moment.

Ebenso wie der tägliche Gang in die Kantine, wo wir die Essensreste für unsere Schweine abholten. Denn wenn wir Glück hatten, blieb manchmal auch eine Bratwurst für uns übrig ...»

Baustelle der Staumauer
Im südlichen Hochgebirge entsteht in einem kaum zugänglichen Seitental ein Stausee von 90 Millionen Kubikmetern. Vier Kraftwerkstufen werden das Wasser des Tödigebietes nutzen und eine Energieleistung von 316 000 Kilowatt produzieren, von denen 265 000 Kilowatt wertvolle Winterenergie sein werden.
Eine Gruppe von Mineueren im Tunnel
Vom Barackendorf Tierfehd wurden Tag für Tag mehrere hundert Männer mit den nach allen Seiten ausstrahlenden Seilbahnen zu ihren Arbeitsplätzen befördert.
Porträt-Bild: Jakob Schiesser
Jakob Schiesser • Bild: privat

ERINNERUNG EINES ZWEITEN ZEITZEUGEN
Jakob Schiesser, 81, Tödi-Köbi, ehemaliger Unternehmer

«1957 führten meine Eltern das Hotel Tödi zuhinterst in Linthal. Eines Tages, mitten im Juli, fuhr ein Lastwagen vor. Ein Haufen Arbeiter stieg aus und alle wollten sie bei uns Mittagessen und übernachten. Dafür war unser Hotelbetrieb nicht ausgerüstet. Meine Mutter musste improvisieren und servierte, was im Hause war: Bauernwürste. Den Arbeitern gefiels. Am gleichen Nachmittag gruben sie in der Wiese hinter dem Hotel ein Loch für die Verankerung des Seils der ersten Seilbahn. Leider jedoch am falschen Ort. So mussten sie halt noch ein zweites ausheben. Das war der bauliche Beginn des Kraftwerks Linth-Limmern. 

Mit der Zeit kamen immer mehr Arbeiter, die Unterkunft und Verpflegung wollten. Diesen Ansturm konnten wir nicht mehr alleine bewältigen. Zum Glück kehrte mein Bruder aus England zurück. Als gelernter Koch war er hier in seinem Element». 

Arbeiter auf dem Staudamm
«Die Anforderungen an den Mut und die Ausdauer der Arbeiter ist sehr hoch. Es braucht ganze Männer auf diesen Arbeitsplätzen, die oft viele hundert Meter über Abgründen in den Fels gesprengt werden mussten.» (Schweizer Illustrierte, 1960) 

Jakob Schiesser: «Der Polier überwachte die Baustelle und auch die kleine Seilbahn, die immer nur zwei Personen transportieren konnte. Einmal, als drei Männer runterkamen, schickte er einen zur Strafe wieder rauf».  

Lastentransport
«Vom Barackendorf Tierfehd aus, des zuhinterst im Linthtal liegt, mussten zur Überwindung der fast 500 Meter hohen Baumgartenwand drei Seilbahnen gebaut werden. Eine davon kann innert 15 Minuten voll beladene Lastwagen und Bagger aus dem Tal zum Tunneleingang befördern.» (Schweizer Illustrierte, 1960)

Jakob Schiesser: «Im Winter 1957/58 fuhren an einem Morgen 12 Arbeiter mit einer Seilbahn zur Arbeit. Unter der ersten Stütze trieb der Föhn das Zugseil der herunterkommenden offenen Kabine unter das Tragseil der hochfahrenden Kabine. Zum Glück konnte das Zugseil den Absturz auffangen. Die Arbeiter kamen mit dem Schrecken davon und stiegen schliesslich auf unserem Stalldach aus.»

Festanlass
Gehisste Fahnen, Blasmusik und Fotografen begleiten die Feier zum Durchstich des drei Kilometerlangen Zubringertunnel zur Staumauer.

Text: Anina Rether • Bilder: Heinz Baumann/ETH-Bildarchiv

 

Glarner Wasser-Geschichten, bisher erschienen:

25.8.2019

Sind die Alpen bald trockengelegt?

18.8.2019

Lebensraum Wasser: Unsere Seen

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