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Das Schlichtungsverfahren

Grundsatz Schlichtungsverfahren

Einem zivilrechtlichen Gerichtsverfahren geht grundsätzlich ein Schlichtungsverfahren voraus (Art. 197 ff. ZPO).
Sinn und Zweck des Schlichtungsverfahrens ist es, die Parteien in formloser Verhandlung zu versöhnen, damit eine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann.

Ausnahmen

Das Schlichtungsverfahren ist grundsätzlich obligatorisch und kann nur in den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen ausfallen (d.h. Klageeinreichung direkt beim Gericht) (vgl. dazu auch Art. 198 f. ZPO ).
Darunter zählen unter anderem:

  • öffentlich-rechtliche Baueinsprachen
  • Gerichtliche Verbote
  • vorsorgliche Massnahmen
  • Rechtsöffnungen bei Betreibungen (provisorische-/definitive Rechtsöffnung)
  • Ausweisung
  • Klagen über den Personenstand
  • Eheschutz- und Scheidungsverfahren
  • Verfahren zur Auflösung der eingetragenen Partnerschaft
  • Klagen aus dem SchKG (Aberkennungsklage, Feststellungsklage, Widerspruchsklage, etc.) 

Zuständigkeit (sachlich)

Die Schlichtungsbehörde führt als erste Instanz bei folgenden Klagen einen Schlichtungsversuch durch:

  • Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen
  • Forderungen
  • privatrechtliche Baueinsprachen
  • arbeitsrechtliche Forderungen
  • Erbteilungen, Testamentsanfechtungen
  • Nachbarschaftsstreitigkeiten
  • Eigentumsrecht
  • Persönlichkeitsverletzungen
  • reine Unterhaltszahlungen (nicht verheirateter Eltern)
  • Aberkennungen, Rückforderungen

Zuständigkeit (örtlich)

Die örtliche Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde regelt die Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO]; SR 272 wie folgt (Art. 9 ff. ZPO):

  • Klagen gegen eine natürliche Person: die Schlichtungsbehörde an deren Wohnsitz (Art. 10 Abs. 1 lit. a ZPO)
  • Klagen gegen eine juristische Person: die Schlichtungsbehörde an deren Sitz (Art. 10 Abs. 1 lit. b ZPO)
  • erbrechtliche Klagen: die Schlichtungsbehörde am letzten Wohnsitz der Erblasserin oder des Erblassers (Art. 28 ZPO)
  • Klagen aus Miete und Pacht unbeweglicher Sachen: die Schlichtungsbehörde am Ort der gelegenen Sache bzw. am Ort des Mietobjekts (Art. 33 ZPO)
  • arbeitsrechtliche Klagen: die Schlichtungsbehörde am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder an dem Ort, an dem die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer gewöhnlich die Arbeit verrichtet (Art. 34 ZPO)

Paritätische Schlichtungsbehörde

Bei Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen, arbeitsrechtliche Streitigkeiten sowie Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz ist die Schlichtungsbehörde paritätisch und wie folgt zusammengesetzt (Art. 200 ZPO):

Miete und Pacht
  • Vorsitz
  • Protokollführerin
  • Vermietervertretung
  • Mietervertretung
Arbeitsrecht
  • Vorsitz
  • Protokollführerin
  • Arbeitgebervertretung
  • Arbeitnehmervertretung
Gleichstellungsgesetz
  • Vorsitz
  • Protokollführerin
  • Arbeitgebervertretung
  • Arbeitnehmervertretung
  • Arbeitgeber/Arbeitnehmervertretung geschlechtlich ebenfalls paritätisch

Einleitung und Eingaben

Das Schlichtungsverfahren wird durch das Schlichtungsgesuch eingeleitet.
Sie können das Gesuch bzw. Ihr Anliegen in einem einfachen Brief darlegen oder das entsprechende Formular (abrufbar im Online-Schalter unter der Rubrik «Schlichtung») ausfüllen.
Zudem sind Eingaben unterzeichnet in Papierform oder elektronisch mit einer gemäss Zivilprozessordnung anerkannten elektronischen Signatur einzureichen (vgl. dazu auch Art. 130 ZPO).
Hinweis: Eingaben per Telefax, E-Mail etc. gelten als nicht rechtsgültig eingereicht.

Schlichtungsverhandlung

Die Schlichtungsbehörde stellt der Gegenpartei das Schlichtungsgesuch samt allen eingereichten Belege zu und lädt anschliessend die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung vor.

Die Parteien sind grundsätzlich verpflichtet, persönlich zur Schlichtungsverhandlung zu erscheinen (Ausnahmen siehe Art. 204 Abs. 3 ZPO). Sie können sich von einer Rechtsbeiständin, einem Rechtsbeistand oder einer Vertrauensperson begleiten lassen.
Über eine allfällige Vertretung sind die Gegenpartei und die Schlichtungsbehörde im Voraus zu informieren (Art. 204 Abs. 4 ZPO). Eine entsprechende Vertretungsvollmacht ist spätestens an die Verhandlung mitzubringen.
Es gelten die Säumnisfolgen gemäss Art. 206 ZPO.

Abschluss

Das Schlichtungsverfahren kann wie folgt erledigt werden:

  • Rückzug des Gesuches
  • Einigung (Vergleich, Klageanerkennung oder vorbehaltloser Klagerückzug)   [Art. 208 ZPO]
  • Annahme Urteilsvorschlag (bis zu einem Streitwert von CHF 5'000.— möglich) [Art. 210 f. ZPO]
  • Klagebewilligung (nach Ablehnung des Urteilsvorschlages [Art. 211 ZPO], nach Nichteinigung [Art. 209 ZPO])
  • Entscheid (bis zu einem Streitwert von CHF 2'000.— möglich), sofern die klagende Partei einen entsprechenden Antrag stellt [Art. 212 ZPO]

Im Schlichtungsverfahren gelten keine Gerichtsferien (Art. 145 Abs. 2 ZPO).

Kosten

Die Kosten für das Schlichtungsverfahren und das Entscheidverfahren richten sich nach der Verordnung zu den Kosten im Zivil- und Strafprozess (Zivil- und Strafprozesskostenverordnung) [GS III A/5]. Sie bemessen sich nach dem Streitwert oder dem sonstigen Interesse der Parteien an der Beurteilung der Angelegenheit sowie nach dem erforderlichen Zeit- und Verwaltungsaufwand (Art. 1 Zivil- und Strafprozesskostenverordnung; GS III A/5).
Die Pauschalgebühr für das Schlichtungsverfahren beträgt CHF 100.— bis CHF 800.— (Art. 2 Zivil- und Strafprozesskostenverordnung; GS III A/5).

In folgenden Streitigkeiten werden von der Schlichtungsbehörde keine Kosten erhoben bzw. ist das Schlichtungsverfahren kostenlos (Art. 113 Abs. 2 ZPO):

Hinweis: Ausnahmen dazu siehe Art. 114 ZPO und Art. 115 ZPO

Wenn Sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügen und nicht ein aussichtsloses Rechtsgebehren stellen, können Sie die unentgeltliche Rechtspflege beantragen (Art. 117 ff. ZPO). Verwenden Sie dazu bitte das entsprechende Formular und reichen Sie dieses zusammen mit dem Schlichtungsbegehren der Schlichtungsbehörde ein (abrufbar im Online-Schalter unter der Rubrik «Unentgeltliche Rechtspflege»).

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