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Wir sind Landsgemeinde: Strassenzoll für die Klausenstrasse

Eine Auto-, Töff- oder Busfahrt auf den Urnerboden war in den 1920er-Jahren nicht gratis • Postkarte (ca.1920) Landesarchiv

Staatskanzlei • Aus der Geschichte kann man lernen. Der Public Newsroom gl.ch blickt in loser Reihenfolge zurück auf bemerkenswerte Entscheide der Glarner Landsgemeinde. Heute: Weshalb der Strassenzoll an der Klausenstrasse wieder abgeschafft wurde.

Von André Maerz, Public Newsroom gl.ch

Sogar der Glarner Landrat macht(e) Fehler. Bei der Totalrevision des Gesetzes über den Verkehr mit Motorfahrzeugen und Fahrrädern ging Ende der 1920er Jahre eine Bestimmung vergessen. Versehentlich ging so die geltende Strassenzollregelung «verloren», denn für das Befahren der Klausenpassstrasse musste bis dahin eine Fahrzeugabgabe entrichtet werden. Der Landrat wollte dieses Versäumnis dezent bereinigen, indem er – es steht im Landsgemeindememorial von 1928 – «einfach in der Vollzugsverordnung vom 18. Mai 1927 wieder eine besondere Gebühr für das Befahren der Klausenstrasse mit Motorfahrzeugen» aufnahm. Nach der Gesetzeslage war er aber auf diesem Weg gar nicht dazu berechtigt und wurde «in gerichtlichen Rekursfällen» zurückgepfiffen.

Um «weitere Einreden dieser Art zu beseitigen», beantragte der Landrat deshalb quasi in eigener Sache, das Gesetz über den Verkehr mit Motorfahrzeugen und Fahrrädern im Kanton Glarus von 1925 zu ergänzen.

Vier Franken für eine Spritztour

Für das Befahren der Klausenstrasse mit Motorfahrzeugen war nach dem neuen Gesetz für jede Fahrt und für jedes Fahrzeug eine Bewilligung einzuholen; die Rückfahrt am gleichen Tage war immerhin inbegriffen. Die Maut betrug für Motorräder 1 Franken, für Motorräder mit Seitenwagen 2 Franken, für Motorlastwagen 3 Franken, für Motorwagen 4 Franken, für Busse 10 Franken. Erhältlich waren auch Jahresabonnemente und Sondertarife für Autovermieter. Keine Gebühren musste für Notfalleinsätze sowie Kranken-, Post- und Militärtransporte entrichtet werden.

Nach nur einem Jahr wieder abgeschafft

Doch diese Gesetzesergänzung überlebte nur gerade bis zur nächsten Landsgemeinde. Denn der Bundesbeschluss über Bundesbeiträge an die Kantone für die Automobilstrassen (Erträge aus dem Benzinzoll) verbot die Erhebung von kantonalen Durchgangsgebühren.

Gegen 10'000 Fahrzeuge befuhren im Sommer 1928 kostenpflichtig die Klausenstrasse.

Wohl um von der schlechten Legislaturplanung abzulenken, erwähnt der Landrat im Memorial von 1929, dass die Klausen-Maut 1928 schöne 29'921.90 Franken abgeworfen habe. Gegen 10'000 Motorfahrzeuge hatten im Sommer 1928 den Klausenpass befahren. – «Der Anteil aus dem Benzinzollerträgnis wird aber diesen Betrag noch erheblich übertreffen», so das Memorial. Natürlich stimmte die Landsgemeinde ob diesem doppelten Grund – Maut-Verbot und lukrative Bundesbeiträge – dem Antrag stillschweigend zu.

Besteuerung des Benzinpreises…

Als Land ohne eigenes Öl war und ist die Schweiz vollständig auf Benzinimporte angewiesen. Die Einfuhr stieg von 3800 Tonnen im Jahr 1900 stetig auf 159'000 Tonnen im Jahr 1930. Der grösste Teil wurde in der Schweiz von Kraftfahrzeugen verbrannt. Bis 1921 begnügte sich der Bund mit einer kleinen Einfuhrgebühr von 1 Franken pro Zentner Benzin. Bei einem Benzinpreis von 22 Rappen pro Liter fiel dies kaum ins Gewicht. Nach dem Ersten Weltkrieg erhöhte der Bundesrat 1921 den Benzinzoll aber massiv und 1923 verdoppelte er gar den Kraftstoffzuschlag. Dies führte bei den Fuhrunternehmern zu heftigen Protesten. Das führte zu einer Zweckbindung des Kraftstoffzolls für den Unterhalt der kantonalen Straßen.

… zugunsten des Strassenbaus

Die rasante Motorisierung des Verkehrs und seine unangenehmen Folgen hatten schon die Landsgemeinde 1912 (Sontagsfahrverbot) und 1920 (Automobilsprengwagen) beschäftigt. Nicht nur im Glarnerland, sondern in der gesamten Schweiz kam die Modernisierung des Strassennetzes vergleichsweise langsam in Gang. Bis Ende 1933 hatten lediglich 31 Prozent aller Kantonsstrassen staubfreie Beläge (5124 Kilometer Teer oder Asphalt, Pflastersteinen oder Beton). Beliebt waren in dieser Zeit auch Übergangslösungen um die Staubplage abzuschwächen. Anstelle einer massiven Strassendecke begnügte man sich oft mit einer oberflächlichen Schutzschicht. Diese musste regelmässig erneuert werden.

Nichts für Pferde

Pferdefuhrwerk
Glarner Pferdefuhrwerk • Foto (undatiert): Landesarchiv
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Nicht alle Strassenbenutzer waren mit den neuen Belägen zufrieden. Während sie für den motorisierten Verkehr, Radfahrer und Fussgänger eine Erleichterung darstellten, verärgerten sie Pferdebesitzer.

So verklagte der Fuhrmann Emil Steinmann 1928 den Kanton Glarus auf Schadenersatz, nachdem sein Pferd auf einer geteerten Straße ausgeglitten war und sich verletzt hatte. Allerdings wurde die Klage erstinstanzlich abgewiesen und nicht weitergezogen.

Der Fall eignete sich nicht für ein Grundsatzurteil zur Härte des Strassenbelages: Das Pferd dürfte sich nämlich nicht wegen zu hartem oder zu rutschigem Belag verletzt haben. Gemäss Zeugenaussagen war der fragliche Strassenabschnitt zwischen Niederurnen und Ziegelbrücke stark beschädigt und voller Löcher.

Quellen:
> Landsgemeinde-Memoriale und -Protokolle von 1928 und 1929
> Christoph Maria Merki: «Der holprige Siegeszug des Automobils 1895–1930»
> Gerichtsurteil [10.8 MB] (Landesarchiv)

Und heute?

Verkehrsaufkommen

  • Den rund 10'000 Fahrten auf der Klausenstrasse im Sommer 1928 stehen heute – «bei gemischtem Wetter», so eine Verkehrszählung von Ende Oktober 2019 – durchschnittliche Werte von rund 1000 Fahrten gegenüber - pro Tag. 

Mautgebühren (Verkehrsabgabe)

  • Mautgebühren werden in Frankreich und Italien für die Benutzung von Autobahnen einkassiert.
  • In Deutschland sind Lastwagen mautpflichtig, die Einführung eines Systems für Personenwagen scheiterte allerdings vor dem europäischen Gerichtshof und ist noch heute Gegenstand von Verantwortlichkeitsdiskussionen, nachdem fast 80 Millionen Euro in das nicht in Betrieb genommene System flossen.
  • In der Schweiz benötigt man zur Nutzung der Autobahn eine Vignette.
  • Im Kanton Glarus werden regelmässig Forderungen nach Zufahrtsgebühren oder Verkehrseinschränkungen in den Naherholungsgebieten (Klöntal, Oberseetal) erhoben. Sie sind politisch umstritten. Kostenpflichtig (Gebühr für Ausnahmebewilligung) ist hingegen die Benutzung diverser gemeindeeigener Waldstrassen im Kanton.

Treibstoffzoll

  • Im Hinblick auf die Erreichung der Schweizer Klimaziele dürften sich mittelfristig die Treibstoffzölle verändern, sowohl in der Höhe (Lenkungsabgabe) als auch im Gesamtertrag (Ablösung von Verbrennungsmotoren zugunsten von Elektrofahrzeugen).

Wir sind Landsgemeinde

Diese lose Serie über bemerkenswerte Entscheide der Glarner Landsgemeinde entsteht in Zusammenarbeit mit alt Ratssekretär und Fahrtsbrief-Verleser Josef Schwitter aus Näfels. Die Texte von Roland Wermelinger und André Maerz lehnen sich an das jeweilige Landsgemeinde-Memorial und an die Landsgemeindeprotokolle an. 

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