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«Wenig Handlungsspielraum» – Regierungsrat beantwortet Interpellation zu Steuervergünstigungen

Regierungsratssitzung 22. Oktober 2019 • Der Regierungsrat beantwortet eine Interpellation der SP–Fraktion zu Steuervergünstigungen.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung veröffentlichte 2011 den Bericht «Welche Steuervergünstigungen gibt es beim Bund?» Die SP–Fraktion des Glarner Landrates nimmt diesen Bericht zum Anlass, dem Regierungsrat Fragen zu den Steuervergünstigungen im Kanton Glarus zu stellen. In der Interpellation «Ausmass und Wirkung von Steuervergünstigungen im Kanton Glarus» stellt sie fest, dass dem Staat jährlich Milliardenausfälle durch solche Abzüge entgehen und gewisse Bevölkerungsgruppen steuerlich bevorzugt werden. 

Stellungnahme des Regierungsrates

Eine Steuervergünstigung ist nicht per se schlecht. Die Beurteilung einer Steuervergünstigung hängt von der Zielsetzung sowie von der Effektivität und Effizienz der alternativen Massnahmen ab. Die der Interpellation zugrunde liegende Studie schätzt zwar die Mindereinnahmen aufgrund von Steuervergünstigungen, verzichtet aber auf eine Analyse von deren volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Entsprechend ist auch die Beurteilung, ob eine Steuervergünstigung sachlich gerechtfertigt ist, – anders als von der Interpellantin in ihren Ausführungen über die Subventionen suggeriert – kein Bestandteil des Berichts der Eidgenössischen Steuerverwaltung.

Ob die Förderung bestimmter Verhaltensweisen über Ausgaben oder Steuervergünstigungen erfolgt, hat auf den Staatshaushalt grundsätzlich die gleiche Wirkung. Im Gegensatz zu Ausgaben werden Steuervergünstigungen jedoch nicht im Budget ausgewiesen. Dies mindert, wie die Interpellantin korrekt festhält, das Bewusstsein für die Kosten dieser Staatstätigkeit.

Der kantonale Handlungsspielraum hinsichtlich der diversen steuerlichen Abzüge ist jedoch sehr begrenzt. Das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden schreibt nämlich vor, dass – unter Vorbehalt von Sozial- und Kinderabzügen – andere Abzüge als die im Gesetz vorgesehenen nicht zulässig sind. Die Abzüge von den steuerbaren Einkünften sind somit für die Kantone verpflichtend geregelt. Bundesvorgaben müssen ins kantonale Recht übernommen werden, um Transparenz und Rechtssicherheit herzustellen. Eine Übernahme von Bundesvorgaben ins kantonale Recht erfolgt auch aus veranlagungstechnischen Gründen. 

Schliesslich wird darauf hingewiesen, dass die geltenden Steuervergünstigungen vom Bundesparlament und auch der Glarner Landsgemeinde demokratisch legitimiert sind.

Fragen und Antworten

Steuervergünstigungen wachsen betragsmässig und werden in der Schweiz (im Gegensatz zur USA oder zu Deutschland) historisch gesehen keiner systematischen und kritischen Überprüfung unterworfen. Gedenkt die Steuerverwaltung etwas gegen diese Blackbox zu tun und die Steuervergünstigungen im Kanton Glarus regelmässig zu überprüfen?

Antwort Regierungsrat:

Es ist nicht Aufgabe der kantonalen Steuerverwaltung, Steuervergünstigungen (regelmässig) zu überprüfen, sondern eine einheitliche und rechtsgleiche Anwendung der gesetzlichen Grundlagen zu gewährleisten. Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens prüft die kantonale Steuerverwaltung jede eingegangene Steuererklärung im Detail. Somit wird sichergestellt, dass sämtliche Abzüge nur gewährt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Steuerstraftatbestände wie die Verletzung von Verfahrenspflichten, die versuchte oder vollendete Steuerhinterziehung sowie der Steuerbetrug werden entsprechend geahndet.

Welche Arten von Steuervergünstigungen gewährt der Kanton? Wir bitten um eine detailliefte Auflistung aller Arten von Steuervergünstigungen sowohl für natürliche als auch für juristische Personen.

Antwort Regierungsrat:

Wie der Studie des Bundes von 2011 entnommen werden kann, erachtet die Eidgenössische Steuerverwaltung folgende steuerrechtlichen Regelungen als positive (+) oder negative (-) Steuervergünstigung (nicht aufgeführt sind die Zwischenkategorien):

Natürliche Personen
Altersvorsorge

  • Abzug Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an die 2. Säule (beim Arbeitnehmer) (+)
  • Steuerfreiheit Arbeitgeber-Kapitalzahlungen für Einkauf (+)
  • Steuerfreiheit der Erträge auf Kapital der 2. Säule (+)
  • Besteuerung Renten aus der 2. Säule (-)
  • Besteuerung der Einkünfte aus der 2. Säule (red. Satz auf Kapitalleistungen) (-)
  • Übergangsregelung (reduzierte Besteuerung der Renten aus der 2. Säule) (-)
  • Abzug Beiträge in die Säule 3a (+)
  • Steuerfreiheit der Erträge auf Kapital der Säule 3a (+)
  • Besteuerung der Einkünfte aus der Säule 3a (red. Satz auf Kapitalleistungen) (-)
  • Abzug Beiträge für Krankenversicherung (+)
  • Steuerfreiheit der Erträge und Gewinne auf Kapital der Säule 3b (+)
  • Weitgehende Steuerfreiheit der Leistungen aus rückkaufsfähiger privater Kapitalversicherung (-)

Berufskosten unselbstständig Erwerbender

  • Abzug der Fahrkosten (+)
  • Abzug für auswärtige Verpflegung (+)
  • Abzug für auswärtigen Wochenaufenthalt (+)
  • Abzug der Weiterbildungs- und Umschulungskosten (+)
  • Abzug übrige Berufskosten: Kosten für Arbeitszimmer und PC (+)

Berufskosten selbständig Erwerbender

  • Sonderabschreibungen auf Investitionen betreffend Umweltschutz (+)
  • Abzug der Rückstellungen für Forschungs- und Entwicklungsaufträge (+)

Allgemeine Abzüge

  • Abzug für private Schuldzinsen (Überhang) (+)
  • Abzug der dauernden Lasten sowie 40 Prozent der bezahlten Leibrenten (+)
  • Abzug der Zuwendungen für gemeinnützige Zwecke (+)

Steuerbefreite Einkünfte

  • Steuerfreiheit der Kapitalgewinne aus Privatvermögen (+)
  • Steuerfreiheit von Erbschaften und Schenkungen (zu 1/5 des Satzes) (+)
  • Steuerfreiheit der Unterstützungen aus öffentlichen und privaten Mitteln (+)
  • Steuerfreiheit des Soldes für Militär- und Schutzdienst sowie des Taschengeldes für Zivildienst (+)
  • Steuerfreiheit der Ergänzungsleistungen zur AHV/IV (+)
  • Teilweise Steuerfreiheit für Dividenden aus Beteiligungen (-)

Weitere Abzüge und Unterbewertungen

  • Kinderabzug (+)
  • Abzüge für Umweltschutzinvestitionen in Liegenschaften im Privatvermögen (+)
  • Abzug der Kosten für denkmalpflegerische Arbeiten (+)
  • Unterbewertung des Eigenmietwertes (+)

Juristische Personen

  • Steuerbefreiung Gebietskörperschaften und ihre Anstalten (+)
  • Steuerbefreiung konzessionierter Verkehrsunternehmen (+)
  • Steuerbefreiung juristische Personen, die öffentliche oder gemeinnützige Zwecke verfolgen (+)
  • Steuerbefreiung juristische Personen, die gesamtschweizerisch Kultuszwecke verfolgen (+)
  • Abzug freiwilliger Geldleistungen an gemeinnützige Organisationen bis zu 10 Prozent des Reingewinnes (+)
  • Abzug der Rückstellungen für Forschungs- und Entwicklungsaufträge (mit Obergrenze) (+)
  • Reduzierter Steuersatz für Vereine, Stiftungen und übrige juristische Personen (entfällt mit Umsetzung des STAF ab 2020) (+)
  • Beschleunigte Abschreibung bei Pflichtlagern (+)

Neben diesen bereits 2011 gültigen Steuervergünstigungen sind seither die folgenden Steuervergünstigungen dazugekommen:

Natürliche Personen

  • Mitgliederbeiträge und Zuwendungen an politische Parteien bis 10'000 Franken (+)
  • Befreiung Feuerwehrsold bis 5000 Franken (+)
  • Abzug für berufsbedingte Aus- und Weiterbildungskosten bis 12'000 Franken (+)
  • Steuerfreigrenze bis 1000 Franken für Lotteriegewinne (+)

Juristische Personen

  • Steuerfreigrenze bis 20'000 Franken für Gewinne von juristischen Personen mit ideellen Zwecken (+)

Wie hoch schätzt der Kanton die Mindereinahmen für Kanton und Gemeinden durch diese Steuervergünstigungen? Wir bitten um eine detaillierte Auflistung nach Steuervergünstigung mit möglichst aktuellen Zahlen.

Antwort Regierungsrat:

Die Mindereinnahmen für Kanton und Gemeinden basierend auf einer detaillierten Auflistung nach Steuervergünstigungen können nicht quantifiziert werden. Es wären verschiedene Annahmen und Vereinfachungen zu treffen mit dem Ergebnis, dass alle Berechnungen mit einem grossen Vorbehalt zu versehen wären. Es ist daher nicht möglich, zuverlässige und fundierte Aussagen machen zu können. In der Studie der Eidgenössischen Steuerverwaltung werden beispielsweise die Abzüge für Beiträge an anerkannte Formen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) als «Steuervergünstigungen» qualifiziert. Für den Kanton Glarus ergibt eine Auswertung für das Steuerjahr 2017, dass insgesamt rund 9800 steuerpflichtige natürliche Personen Beiträge an die Säule 3a von rund 48 Millionen Franken getätigt haben und steuerlich in Abzug bringen konnten. Durchschnittlich ergibt dies einen Abzug pro steuerpflichtige natürliche Person von rund 4900 Franken, wobei wie dargelegt nicht alle Steuerpflichtigen von diesem Recht Gebrauch machen. Hier müsste nun im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob die steuerpflichtige Person überhaupt ein steuerbares Einkommen aufweist und wie hoch dieses ist, um den Effekt einer «Steuervergünstigung» nachzuweisen. Die Annahme eines durchschnittlichen Steuersatzes bezogen auf diese Abzugs-Position für alle betroffenen Steuerpflichtigen wäre mehr Hypothese als Realität.

Hat der Regierungsrat Wirkungsanalysen zu Steuervergünstigungen durchgeführt oder sind solche geplant? Wenn nein, wieso nicht?

Antwort Regierungsrat:

Nein, der Regierungsrat hat keine Wirkungsanalysen zu Steuervergünstigungen durchgeführt und plant auch keine solchen. Die meisten Steuervergünstigungen sind vom Bundesrecht vorgegeben, der Kanton hat keinen Handlungsspielraum für allfällige Anpassungen.

Wird die Steuerverwaltung künftig Ausmass und Wirkung von Steuervergünstigungen für natürliche und juristische Personen aufzeigen? Wenn nein, warum nicht?

Antwort Regierungsrat:

Wie dargelegt gibt es keinen Grund, weshalb die kantonale Steuerverwaltung zukünftig Ausmass und Wirkung von «Steuervergünstigungen» für natürliche und juristische Personen aufzeigen sollte. Dies ist erstens keine Aufgabe der Steuerverwaltung, zweitens lassen sich das Ausmass und insbesondere die Wirkung nur mit umfangreichen Studien einigermassen zuverlässig schätzen und drittens besteht für den Kanton nur ein sehr begrenzter Handlungsspielraum, um die Steuervergünstigungen einzuschränken oder zu erweitern

Gedenkt der Regierungsrat künftig den Empfehlungen der OECD zu folgen, wonach Steuervergünstigungen als Ausgaben ins Budget einzubeziehen sind?

Antwort Regierungsrat:

Da die Steuervergünstigungen wie bereits erläutert nicht quantifiziert werden können, ist auch eine Ausweisung von deren Wert im Budget nicht möglich.

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