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Bettagsmandat 2021 im Zeichen der Pandemie

Wie sieht das Leben aus, wenn die Schutzmasken nicht mehr gebraucht werden? • Foto: Keystone

Regierungsrat des Kantons Glarus • Zum Dank-, Buss- und Bettag macht sich der Glarner Regierungsrat darüber Gedanken, wie trotz Erfolgen im Kampf gegen die Pandemie wieder zu einer Art Normalität zurückgekehrt werden kann.

Bettagsmandat 2021

Nach der Pandemie: Keine Rückkehr zu einem «normalen» Leben

Mit Zuversicht starteten das Glarnerland und die Schweiz ins Jahr 2020. Alle Prognosen und Indikatoren standen auf Grün. Doch dann stellte ein Virus die ganze Welt auf den Kopf. Am 16. März 2020 rief der Bundesrat angesichts der Corona-Pandemie die «Ausserordentliche Lage» und damit die höchste Eskalationsstufe aus. Er schränkte das öffentliche Leben massiv ein, schloss nicht lebensnotwendige Betriebe, untersagte Sport- und Freizeitaktivitäten, private und öffentliche Versammlungen sowie Präsenzunterricht an Schulen und Universitäten, erliess Besuchsverbote in Spitälern und Altersheimen. Das führte zu einem massiven wirtschaftlichen Einbruch. Die Landsgemeinde 2020 wurde zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte des Kantons Glarus abgesagt. Geschockt durch Ansteckungen, Erkrankungen und Todesfälle wurden die behördlichen Anordnungen von der Bevölkerung mit Verständnis angenommen und befolgt.

Zwei weitere Infektionswellen suchten danach die Schweiz heim. Trotz allem begannen bereits im Herbst 2020 Diskussionen über Einschränkungen und Lockerungen. Den einen gingen die Massnahmen viel zu weit und die Öffnung viel zu langsam – andere warnten vor zu frühen Lockerungen. Im Frühling 2021 wurden Demonstrationen gegen die Einschränkungen organisiert, so auch vor dem Rathaus in Glarus. Aus der während der ersten Welle zu beobachtenden Akzeptanz wurde zusehends Gleichmut.

Genug der Einschränkungen

Allmählich sind nicht nur die Demonstrierenden der vielen Covid-19-Einschränkungen überdrüssig. Die Rückkehr zu einem «normalen» Leben wird ersehnt und gefordert. Bessere Erkenntnisse über das Virus, weniger Hospitalisationen, Hilfspakete in Milliardenhöhen für die Wirtschaft sowie in Rekordzeit entwickelte Impfstoffe haben die Zuversicht wieder wachsen lassen.

Die Pandemie überraschte die Bevölkerung genauso wie auch die kantonalen und eidgenössischen Behörden. Die üblichen politischen Prozesse zur Lösungsfindung sorgfältiges Abwägen einzelner Argumente im Zusammenspiel zwischen Legislative und Exekutive waren für die Bewältigung der Krise offensichtlich ungeeignet. Gefragt war nicht endloses Debattieren, sondern unverzügliches Handeln. Ohne je die Gelegenheit zum Üben gehabt zu haben, mussten Bundes- und Regierungsrat teilweise sehr einschneidende Massnahmen treffen. Dabei stand stets die Gesundheit der Einwohnerinnen und Einwohner des Landes im Vordergrund. Doch auch den befürchteten wirtschaftlichen Folgen war angemessen zu begegnen. Die Pandemie zeigte zudem Defizite auf in der Vorbereitung auf das Unerwartete. Aus den Erfahrungen in der Krise müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden.

Alte und neue Begriffe

Noch nie wurden innerhalb einer so kurzen Zeit so viele neue Wörter erfunden wie in den letzten beiden Jahren. Neudeutsche Ausdrücke wie Lockdown, Social Distancing oder Homeschooling verbreiteten sich so schnell wie das Virus selbst. Während der Pandemie tauchte aber auch ein fast vergessenes Wort wieder auf: Demut. Es wurde zu einem Synonym für: «Hey, Mensch, du hast gedacht, es geht immer nur aufwärts, kein Stopp, kein Rückschlag, immer mehr. Und plötzlich kommt doch ein abrupter Stopp, der das Alltägliche, das Selbstverständliche lahmlegt.»

Das Wort Demut kommt von dem althochdeutschen Begriff diemuoti: Dienen und Mut. Genau darum geht es: Den Mut zu haben, zu dienen, schwierige Entscheide zu treffen, ohne seine Macht an Andern auszuspielen. Es gehört Mut dazu, seinen Mitmenschen zu helfen. Dieser Mut konnte so neue Kontakte schaffen, welche vorher nur aus oberflächlichem Smalltalk bestanden. Gerade in der Nachbarschaftshilfe und im Gesundheitswesen wurde Grossartiges geleistet, weil viele die Demut hatten, den Mut aufbrachten, oft im Verborgenen dem Andern zu dienen.

Für viele waren es schwierige Zeiten, menschlich und/oder finanziell. Hätten Regierung, Kirche und jeder Einzelne mehr machen können? Die vielen kleinen Schritte zur Bewältigung der Krise sind immer Schritte auf dem Weg der Hoffnung und die Zuversicht, das gesellschaftliche Leben zu gestalten, die Freiheiten des Einzelnen zu erweitern und die Lebensqualität zu erneuern. Im Nachhinein sieht man Verbesserungsmöglichkeiten, denn «das Bessere ist der Feind des Guten».

So sehr sich die Menschen nun nach einer Rückkehr zu Vertrautem und Bekanntem sehnen, so sehr müssen sie erkennen und anerkennen, dass sie nicht einfach dort wieder anknüpfen können, wo sie aufgehört haben. Die Bibel erzählt, wie Gott den Menschen mit der Vertreibung aus dem Paradies zwei Dinge zumutete: Entscheidungsfreiheit und Verantwortung. Eine Rückkehr zu paradiesischen Zuständen ist nicht zu erwarten. Daher ist Nostalgie nicht hilfreich, wenn es darum geht, die Zukunft zu gestalten.

Nach der Pandemie beginnt das Leben nicht bei Null, aber es zeigt sich, dass der Begriff von Normalität an etlichen Stellen angepasst und verändert werden muss. Mit der Sicherheit war es nicht so weit her wie gefühlt. Und die eigene Wahrnehmung von normal ist nicht mit Normalität gleichzusetzen. Normalität zeigt sich als ein sehr fragiles Gebilde. Augenmass und die Einsicht, dass nichts bleibt, wie es war, wird so zum Leitfaden in der Kunst des Möglichen.

Neuausrichtung ist notwendig

Die Bibel weist darauf hin, wie eine Rückkehr aussehen kann und auch, mit welchen Problemen eine solche Rückkehr einhergeht. Zunächst ist dieser Begriff verbunden mit der Umkehr, bei der Gott mitgeht, begleitet und in seinen Weisungen Möglichkeiten für gelingendes Leben aufzeigt. Umkehr hilft so beim Verstehen, wie die aufgezeichneten Erfahrungen von Menschen mit diesem Gott hilfreich leiten in dieser neuen Situation.

Israel kommt beim Auszug aus Ägypten nicht wieder einfach auf direktem Weg in das gelobte Land. Das ist kein Weg, der völlig reibungslos und ohne Probleme gerade mal eben unter die Füsse genommen wird. Mit den ersten Schwierigkeiten beginnt auch schon die Kritik. Diverse Bussübungen – modern formuliert: Neuausrichtungen – sind notwendig.

Umkehr bedeutet aber nichts anderes als Busse, ein Wort, das heute fast nicht mehr verstanden wird. Eine Busse ist weit mehr als eine Strafe oder eine Auflage. Busse ist das Angebot, zurückzukehren auf einen besseren Weg.

Umkehr ist auch nicht einfach ein Richtungswechsel. Umkehr setzt ein Nachdenken und ein Nachfühlen voraus. Umkehr ist immer verbunden mit der Einsicht, dass ein früherer Weg, eine frühere Idee, eine frühere Haltung nicht zielführend war.

Es gehört jedenfalls zu der Einsicht, dass das Erträumte und die eigenen Möglichkeiten nicht deckungsgleich sind. Genauso wenig können persönliche Gefühle zur allgemeinen Wahrheit erklärt werden. Das mag einen kränken, aber es weist ihm auch seinen Ort.

Der heutige Bettag lädt dazu ein, sich auch diesen unbequemen Fragen zu stellen.

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