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Mehr Geld für Prämienverbilligung

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Regierungsratssitzung 4. Juli 2019 • Die Glarner Regierung schlägt ein neues Modell für die Prämienverbilligung der Krankenkassen vor. Es ist mit jährlichen Mehrkosten von 1 Mio. Franken zu rechnen.

Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) sieht als soziales Korrektiv zu den von den Krankenversicherern festgelegten Prämien vor, dass die Kantone die Prämien der Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen verbilligen. Zudem müssen die Kantone bei Familien mit unteren und mittleren Einkommen die Prämien der Kinder und jungen Erwachsenen in Ausbildung um mindestens 50 Prozent verbilligen. Ab 2021 müssen die Kantone die Prämien dieser Kinder neu um mindestens 80 Prozent verbilligen. Bei den jungen Erwachsenen in Ausbildung bleiben die Prämienverbilligungen unverändert.

Das System der Prämienverbilligung im Kanton Glarus ist wirksam und wirtschaftlich. Das bestätigt das Monitoring 2017 zur Wirksamkeit der Prämienverbilligung des Bundesamtes für Gesundheit. Die verbleibende Prämienbelastung im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen beträgt im Kanton Glarus 12 Prozent. Der Schweizer Durchschnitt beträgt 14 Prozent. 

Nachdem die Landsgemeinde das heutige System mit der Festlegung der Selbstbehalte durch den Landrat 2015 bestätigt hat, wird sie aufgrund des Memorialsantrags der SP des Kantons Glarus «10 Prozent des verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien sind genug» spätestens im Jahr 2021 wieder darüber befinden können, ob sie eine noch tiefere Prämienbelastung wünscht und bereit ist, dafür mehr Steuern aufzuwenden.

Handlungsbedarf nach Urteil des Bundesgerichts

Aufgrund eines Urteils des Bundesgerichts zur Verbilligung der Krankenkassenprämien von Kindern und jungen Erwachsenen in Ausbildung im Kanton Luzern besteht aber bereits jetzt Handlungsbedarf, um einen bundesrechtskonformen Vollzug der Prämienverbilligung zu gewährleisten. Das gilt auch für andere Kantone.

Das Bundesgericht entschied in einem Grundsatzentscheid Anfang 2019, dass die Einkommensgrenze zur Verbilligung der Krankenkassenprämien von Kindern und jungen Erwachsenen im Kanton Luzern für das Jahr 2017 zu tief angesetzt wurde. Zwar würden die Kantone eine erhebliche Entscheidungsfreiheit bei der Definition des im KVG verwendeten Begriffs der «unteren und mittleren Einkommen», für welche nach Bundesrecht die Prämien zu verbilligen sind, geniessen. Die Autonomie der Kantone werde allerdings dadurch beschränkt, dass ihre Ausführungsbestimmungen zur Prämienverbilligung nicht gegen Sinn und Geist der Bundesgesetzgebung verstossen und deren Zweck nicht beeinträchtigen dürfen. Auch mittlere Einkommen müssten in den Genuss von Prämienverbilligungen kommen. Da das Bundesgericht aber nicht festlegte, bis zu welcher Höhe des mittleren Einkommens ein Anspruch auf eine Kinderprämienverbilligung besteht, verfügen die Kantone diesbezüglich weiterhin über Ermessensspielraum. Es ist davon auszugehen, dass neben einer Erhöhung der Grenzbeträge auf den Medians auch eine leicht reduzierte Erhöhung auf rund 90 Prozent des Median mit dem Bundesrecht bzw. der Rechtsprechung des Bundesgerichts in Einklang steht.

Überprüfung der Grenzbeträge

Der Regierungsrat ging bei der Überprüfung der Grenzbeträge auf ihre Übereinstimmung mit dem Bundesrecht wie das Bundesgericht vor: In einem ersten Schritt berechnete er den Median der anrechenbaren Einkommen für Familien insgesamt sowie für Alleinstehende mit Kindern und Paare (Ehepaare und Personen in eheähnlicher Gemeinschaft) mit Kindern auf Basis der Steuerdaten der Jahre 2015–2017 sämtlicher im Kanton Glarus primär steuer­pflichtigen Personen. Anders als im Kanton Luzern wird im Kanton Glarus das anrechenbare Einkommen aber nicht auf Basis des Nettoeinkommens, sondern auf Basis des Brutto­einkommens (Total der Einkünfte) berechnet. Entsprechend ergeben sich im Vergleich zu anderen Kantonen höhere absolute Beträge. In einem zweiten Schritt wurden die Grenz­beträge zum jeweiligen Median ins Verhältnis gesetzt. Er prüfte dabei vier Varianten. 

Da der Grenzbetrag von 60’000 Franken für Ehepaare oder Personen in eheähnlicher Gemeinschaft deutlich unter der bundesrechtlichen Grenze von 70 Prozent des Medians liegt, erfüllt er die Anforderungen des Bundesgerichts nicht und muss erhöht werden. Hingegen liegt der Grenzbetrag von 50’000 Franken für Alleinstehende mit Kindern deutlich über der unteren Grenze für mittlere Einkommen und ist damit bundesrechtskonform.

Regierung schlägt Anpassung vor

Neben diesen rechtlichen Überlegungen sind bei der Festlegung der Grenzbeträge aber auch sozial- und finanzpolitische Argumente zu berücksichtigen: So ist bekannt, dass Kinder von Alleinstehenden besonders oft von Armut betroffen sind. Daher sollen die bisherigen getrennten Grenzbeträge für Alleinstehende bzw. Ehepaare und Personen in eheähnlicher Gemeinschaft zugunsten eines einheitlichen Grenzbetrags (85’000 bzw. 95’0000 Fr.) zusammengeführt werden. Damit liegt der Grenzbetrag bei Alleinstehenden mit Kindern deutlich über 100 Prozent des Medians, bei Paaren mit Kindern hingegen tiefer. Mit einem einheitlichen Grenzbetrag können Alleinstehende mit Kindern gezielt entlastet und das Armutsrisiko gesenkt werden. Da der Grenzbetrag aber auch für Paare mit Kindern erhöht wird, profitieren auch diese gegenüber heute deutlich. Auch andere Kantone, z. B. Luzern und Zürich, kennen zudem einen einheitlichen Grenzbetrag für alle Familien. Hinsichtlich der Höhe des Grenzbetrags erscheint eine Festlegung auf 85’000 Franken gerechtfertigt. Dieser Grenzbetrag entspricht 93 Prozent des Medians der anrechenbaren Einkommen aller Familien. 

Diese sozial- und finanzpolitischen Überlegungen führen zu folgender Lösung: 

Der Kanton bewegt sich damit im Umfeld der anderen Ostschweizer Kantone inklusive dem Kanton Zürich. Es ist mit Mehrkosten pro Jahr von bis zu 1 Mio. Franken zu rechnen.